
Wer kennt es nicht das Märchen vom Rotkäppchen und dem „bösen“ Wolf? Oder die Geschichte von Mogli aus dem Dschungelbuch, der von seiner Wolfsfamilie aufgezogen und beschützt wird?
Was stimmt nun? Kumpel oder Killer? Blutrünstige Bestie oder verkanntes Schmusetier? Ich wollte dieser Frage nachgehen!
Vorbereitung
Lesen ist immer eine gute Option. Also frisch ans Werk und verschiedene Bücher über unser größtes, heimisches Raubtier besorgt:
- Die Weisheit der Wölfe (E.H.Radinger)
- Der mit den Wölfen lebt (Shaun Ellis)
- Wolfsfährten (Andreas Beerlage)
- Rückkehr der Wölfe (Eckhard Fuhr)
Noch einige Reportagen und Filme später habe ich zwar mehr Wissen, aber noch immer keine eigene Meinung.
Auf den Spuren der Wölfe
Am 27. März 2018 nehme ich an einer Führung des BUND im Nationalpark Harz „Auf den Spuren der Wölfe“ teil. Ich dachte immer im Harz gibt es keine seßhaften Wölfe!?
Die Führung und Wanderung ist gut und informativ – insbesondere die jüngeren Teilnehmer kommen voll auf ihre Kosten.
Allein „Spuren“ finden wir nicht – es gibt wirklich keine Wölfe im Harz. Noch nicht!
Immerhin ist unser Wanderziel die Wolfswarte. Der Sage nach ein versteinerter, heulender Wolf.
Wölfe in der Lausitz
Sunny und Einauge waren 2000 die ersten in Deutschland geborenen Wölfe und lebten in der Muskauer Heide. Was liegt also näher als sich auf Spurensuche in die Lausitz zu begeben.
Im Mai 2018 nehme ich also an einer Wolfsexkursion in der Lausitz teil. Der einheimische Wolfsexperte Stefan und die Wildbiologin Cati nehmen unsere Gruppe unter ihre Fittiche und führen uns durch die Heide und an vielversprechende Stellen zur Wolfsbeobachtung.
Es sind drei wunderbare Tage in der Natur: wir sehen viele einheimische Tier- und Vogelarten. Wir finden die Exkremente der Wölfe, wir stehen zu nachtschlafender Zeit auf und beobachten ein großes, renaturiertes Braunkohleabbaugebiet – nur Wölfe sehen wir nicht. Aber gelernt habe ich viel und allmählich bildet sich auch eine eigene Meinung. Die Menschen hier sind jedenfalls sehr entspannt, wenn es um das Zusammenleben mit den Wölfen geht.
Wolfsgehege Springe
Wenn nicht in der Wildnis, dann wenigstens im Gehege. Im April 2019 nehme ich mir einen Tag frei und verbringe ihn vor dem Wolfsgehege im Wildpark in Springe.
Es ist interessant das Verhalten zu beobachten – auch wenn es Wölfe in Gefangenschaft sind. Am Ende des Tages habe ich fast den Eindruck, dass ich beobachtet werde.
Auf Du und Du mit Wölfen in Dörverden
Meine Familie hat mich erhört. Zum Geburtstag bekomme ich einen Aufenthalt im Gehege bei den Wölfen in Dörverden geschenkt.
Am 1. September 2019 betrete ich mit einem Tierpfleger und zwei Mitgladiatoren und einem erheblich erhöhten Adrenalinspiegel das Wolfsgehege. Ein Traum! Fotografieren ohne Zaun!
Die Wölfe sind scheu und halten Abstand. Weniger als 10 Meter kommt keiner näher.
Ich gehe auf die Knie um eine bessere Fotoposition zu haben und da kommt der Rhüde doch tatsächlich bis auf zwei Meter heran. Vorsichtig und neugierig ist sein Minenspiel.
Eine unvorsichtige Bewegung meinerseits und er sucht das Weite. Was für schöne Tiere und was für ein Erlebnis.
Fazit
Wölfe sind keine Kuscheltiere und auch keine Killer. Sie sind scheue Wildtiere, die nur das tun, was sie zum Überleben brauchen. Sie gehen auf die Jagd nach Nahrung und nehmen die Beute, die sie am leichtesten bekommen. Und genau hier liegt die Chance für ein friedliches Zusammenleben: Wenn das Erlegen von Nutztieren aufwändiger ist, als das Erlegen von Wildtieren, wird der Wolf die Nutztiere in Ruhe lassen. Herdenschutzhunde, hohe Schutzzäune und weitere Maßnahmen können helfen Schafe und andere Haustiere zu schützen. Aber das ist eine gesellschaftliche Aufgabe und muss auch vom Staat finanziert werden. Man darf die Nutztierhalter nicht mit diesen Kosten alleine lassen.
Wölfe zu jagen und zu schießen darf nur eine allerletzte Möglichkeit bei „Problemwölfen“ sein (meist sind diese von Menschen gefüttert worden). Menschen sind jedenfalls keine Beutetiere von Wölfen – eher andersherum!